Gesundheit

Ökonom hadert mit niedriger Impfquote und fordert Diskriminierung von Ungeimpften

Die Quote der Geimpften in Deutschland stagniert und der Staat kann kaum noch etwas dagegen tun. Das glauben zumindest Verhaltensökonom Marcus Schreiber und Virologin Melanie Brinkmann und erklären, was und wer jetzt effektiv helfen kann. Kommt jetzt die „Diskriminierung“ der Ungeimpften?

Ab einer Impfquote von 80 Prozent wäre von einer Herdenimmunität gegen das Coronavirus zu sprechen. Wäre. Die aktuelle Impfquote in Deutschland liegt weit darunter, sie beträgt etwa 64 Prozent – und stagniert nahezu.

Und das, obwohl es längst ausreichend Gelegenheiten zum Impfen gibt. Doch für Marcus Schreiber, Volkswirt und Vorstandsvorsitzender einer Beratungsfirma, ist das Stichwort "Gelegenheiten" genau das Problem.

Ökonom: Schnelle Impfstoff-Herstellung hätte besser erklärt werden müssen

"Das ist so unverbindlich", sagt er in einem Interview im "Spiegel". "Wir hätten nach der ersten Phase im Frühjahr anfangen sollen, den Leuten einen Impftermin zu geben. Mit festem Ort und Datum. Wir sind eine ziemlich konformistische Gesellschaft. Wenn jemand eine Einladung von einer offiziellen Behörde oder einer Krankenkasse hat, erfordert es einen emotionalen Entscheidungsaufwand zu sagen: 'Nee, da gehe ich nicht hin.'"

Die Unsicherheit rühre auch daher, dass einigen Bürgern die Entwicklung des Impfstoffs zu schnell ging und sie daher an der Sicherheit der Vakzine zweifeln. Daher hätte "schon von Anfang an viel ausführlicher erklärt werden müssen, wie es möglich war, den Impfstoff so schnell herzustellen".

Auch der oft fehlende direkte Bezug zur Pandemie, beispielsweise durch Infizierte und gar Opfer im direkten Umfeld, sei hemmend für viele.

Persönliches Umfeld überzeugt effektiver als der Staat

Aber wie könne man nun die Bürgerinnen und Bürger zur Impfung bewegen? Der Staat selbst sei dafür eher ungeeignet, findet Marcus Schreiber, dafür sei das direkte Umfeld und persönliches Vertrauen wichtiger.

Als Beispiel nennt er Fußballvereine wie den FC Bayern, die ihr Stadion komplett füllen wollen, wofür eine Impfung der Leute notwendig sei. Julian Stratenschulte/dpa

Ähnlich sieht das Virologin Melanie Brinkmann im gleichen Interview. Sie ist von Überzeugungskraft im Freundeskreis oder von Anreizen im beruflichen Umfeld wie beispielsweise einen zusätzlichen Tag Urlaub nach der Impfung angetan.

"Wenn jeder, der geimpft ist, darüber spricht und anderen die Angst nimmt, kann das viel bringen", sagt sie. Es gehe um positive Anreize, nicht um Strafen. Auch eine "Impfprämie" wäre denkbar, doch die würde erst ab 500 bis 1000 Euro Sinn ergeben, wenn sie auch rückwirkend an alle bereits Geimpften ausbezahlt würde.

Ökonom will "zwischen Geimpften und Nichtgeimpften diskriminieren"

Doch wenn das nicht funktioniere, sagt Schreiber, sei er "sehr wohl dafür, massiv zwischen Geimpften und Nichtgeimpften zu diskriminieren." Ein Beispiel für eine entsprechende "Keule" hat Schreiber schon im Kopf.

"Wenn Sie sagen: Ab dem 1. Dezember gilt eine klare Triage-Regelung in unseren Krankenhäusern: Wenn die Krankenhäuser voll sind, gibt es Vorfahrt für Geimpfte. Das wäre eine Keule, mit der viele Zögerer wohl zu einer Entscheidung gezwungen werden könnten."

Virologin Brinkmann verdeutlicht die Lage der Ungeimpften, die aber offenbar noch nicht jedem der Betroffenen klar sei: "Es gibt für sie nur zwei Optionen, Infektion oder Impfung. Eine dritte Option gibt es nicht – das Virus kriegt jeden."

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